Frank Erz schreibt Zeugs

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Show-Down am Baum

veröffentlicht im Podcast der Geschichtendose – leider ist der nicht mehr erreichbar.
Herr von Speck hat sich umorientiert.

Vorgetragen von der Frau.


Ein Geräusch.
Ein leises Klingeln, das abrupt unterdrückt worden war.
Er war nicht allein.
Langsam schob er sich weiter den Schacht herunter und stieg über den Feuerplatz aus.
Das Wohnzimmer der Familie Maier. Vater, Mutter, 3 Kinder, 1 Hund.
In der Ecke der Weihnachtsbaum. Couchgarnitur. Alles, wie es sein sollte.
Nur das Geräusch vorhin war unerwartet und er wusste, dass es niemand aus der Familie war. Das hatte er im Gespür.
Trotz seiner Leibesfülle bewegte er sich lautlos und ohne anzustoßen durch den Raum.
Am Baum schaute er sich noch mal um, aber es war nichts zu sehen.
Er lockerte seinen Mantel und zog den roten Sack aus der tiefen Tasche.
Gerade hatte er ihn geöffnet und reingegriffen um das erste Geschenk rauszuziehen, da hörte er direkt über sich ein Klicken und eine Stimme die leise sagte „Hab‘ ich Dich am Wickel, Dicker!“

Verdammt.

Damit hatte er nicht gerechnet.
Was auch immer dieses Klicken war – es bedeutete nix Gutes.
„Was soll das? Hast Du mir aufgelauert?“, fragte er so ruhig wie möglich.
Er zog langsam, ganz langsam seine Hand wieder aus dem Sack.
„Nicht bewegen. Oder es ist schneller vorbei, als Du ‚Bescherung sagen kannst, Moppel.“
„Hör mal zu, Schlampe. Wenn Du mich erledigen willst, dann mach das sofort und laber mich nicht mit dem Mist zu.“
Sie kicherte.

Dann sah er sie langsam von der Decke nach unten schweben.
Flügel hatten einfach Vorteile – aber seine Fähigkeiten waren auch nicht zu verachten.
„Na – immer noch nix ordentliches anzuziehen?“
Sie zuckte die Achseln. „Du weißt, dass Temperatur mir nix ausmacht und wir alle unterliegen Erwartungen, die wir erfüllen müssen. Aber jetzt zum Thema. Was machst Du hier in meinem Gebiet?“
Sie winkte dabei mit dem Gegenstand in ihrer Hand, der leicht an eine Pistole erinnerte. Vorne schaute allerdings eine Spitze ähnlich einer Harpune heraus. Auch wenn das Ding sehr klein war, war ihm klar, das es reichen würde, um ihn zu erledigen.

„Dein Gebiet? Ich wusste gar nicht, dass Du überhaupt ein Gebiet hast.“
Sein Sack stand von alleine und er hielt sich etwas seitlich. Die freie Hand hatte er in die tiefe Tasche geschoben. Ein großer Körper und ein Mantel mit Taschen. Sein Vorteil.
An der Wohnzimmertür bewegte sich ein Schatten und beide schauten kurz hin – der Hund war unterwegs. Kein Problem, aber die Ablenkung, die er benötigt hatte. Aus der tiefen Tasche zog er die Hand mit einer Machete und schlug damit ihrer Hand.
Im letzten Moment lies sie los und die Waffe fiel auf den Boden.
Beide erstarrten. Die Machete zeigte weiter auf sie und er hatte nur noch 10 Zentimeter zu überwinden, um die Sache ein für alle Mal zu erledigen.
„Das bringst Du nicht Weihnachtsmann. Das bringst Du nicht.“
Sie schaute ihn an und die Sekunden zogen sich hin.
„Doch, das bringe ich“, flüsterte er.

„Nein. Niemals. Das kannst Du gar nicht. Dein ganzes Wesen spricht dagegen. Ich bin das Christkind. Mit Betonung auf Kind. Und Du kannst alles, aber Du kannst keinem Kind etwas antun. Und das wissen wir beide.“
Er seufzte und schaute sie lange an.
„Weißt Du. Ich glaube Du hast recht. Aber Kinder benötigen Grenzen und ich werde Dir Deine jetzt zeigen.“
Mit einer überraschenden Bewegung schwang die Machete zur Seite weg, und während ihre Augen der Klinge folgten, kam von der anderen Seite seine große Hand, packte sie feste und mit einer Drehung, die man eher in der rhythmischen Sportgymnastik vermutet hätte, steckte er sie in die tiefe Tasche.

Er hörte noch ein überraschtes „Aber …“ und das war es dann.
Auf dem Boden lag noch die Miniharpune des Christkindes und vorsichtig nahm er diese auf, entfernte den Pfeil und steckte beide Teile in eine andere Tasche. Sicher ist sicher, dachte er sich.
Der Sack stand noch an der gleichen Stelle und innerhalb der nächsten drei Sekunden waren die Geschenke aufgetürmt.
Geschenke vom Christkind konnte er keine sehen. Er hatte sich sowie schon immer gefragt, wo die Kleine die transportierte. Kein Mantel, keine Taschen, kein Schlitten. Ein Mysterium.

Er drehte sich zum Kamin, klopfte sich symbolisch den Staub von den Schultern und verließ das Haus der Maiers.

Es gab noch viel zu erledigen und die Zeit war knapp.

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