https://de.wikipedia.org/wiki/Kludi
„Weißt Du“, sagte der Kludi, „früher hab‘ ich immer die Feldhamster gesammelt auf dem Acker.
5 Mark pro Hamster gab’s vom Amt.
War `ne Menge Zaster für einen jungen Kerl.
Dann wurden die Hamster irgendwann weniger und damit der Zaster auch.“
Das ist eine der Geschichten die der Kludi immer erzählt hat. Eine von den wenigen die wohl stimmte.
Drei Bier und zwei Schnaps für die Lücken dazwischen und dann fing der Kludi mit den Geschichten an.
„Weißt Du,“ sagte der Kludi dann gerne, „weißt Du, ich hab ja früher immer in Hamburch gelebt. Quasi mein Leben lang. Bis dann nicht mehr. Und ich war immer mitten dabei.“
Und dann sah man dem Kludi an, das er darüber sinnierte ob Bier Nummer vier jetzt schon an der Reihe war und ob sich da auch wieder ein Schnaps dazwischen schieben ließe.
„Weißt Du“, sagte der Kludi, „als ich so 15/16 war, hat Greenpeace angefangen groß zu werden.
Die haben erstmals ein Schiff im Hamburger Hafen am Auslaufen gehindert und dann ging’s los mit den Umweltlern. Und meine erste Liebe, die Ulla, war total auf dem Umwelttrip. Die hatte sogar schon organsiert, dass ich da mit hingehe. Aber da hatte ich doch Muffe und bin einfach weggeblieben.
War dann auch Schluss mit der Ulla.“
Oft ist ein kleines Seufzen von Kludi zu hören, wenn er von Ulla, seiner ersten Liebe spricht.
„Die Ulla ist dann mit den Typen nach Südamerika abgehauen irgendwann.“
„Aber weißt Du, damit ging das ja nur los“, sagte der Kludi.
„Brokdorf, Großdemo, Atomkraftwerk.
100.000 Leute, die Bullerei und eisiges Wetter. Die meisten hatten gar keine Vermummung an, wir brauchten die Schals wegen der Kälte. Und was haben wir auf die Fresse bekommen.“
Schnaps Nummer drei wurde dann nach und nach von Bier Nummer vier weggespült.
Das war bei Kludi aber kein Problem. Kludi war im Training, der steckte das weg. Noch nicht mal pinkeln musste der Kludi vor dem zehnten Bier.
„Weißt Du“, sagte der Kludi.
„Da war ich achtzehn. Gerade alt genug, um noch blöd genug zu sein, dafür aber alt genug um schon ordentlich Strafen abzubekommen. War keine schöne Situation.
Aber die Zeit selbst war super. Die große Zeit vom Lindenberg und seinen Jungs. Und ich war immer mitten drin.
St. Pauli, Ritze, damals war das alles normal.“
Der Kludi grinste dann leicht und rieb über seinem linken Unterarm. Da hatte der Kludi einige sehr amateurhafte Tätowierungen. Die sah man aber nur im Sommer wenn es sehr warm war, denn sonst trug der Kludi immer ein Cord-Sacko in hellbraun.
„Weißt Du“, sagte der Kludi, „ich hab ja auch beim Kujau viel rumgehangen. Der war ja eigentlich Künstler und das mit den Tagebüchern war in der Idee nur ein Witz. Hat sich dann verselbstständigt.
Fischbrötchen haben wir immer morgens auf dem Fischmarkt gegessen, der Kujau, sein Cousin und ich. War mal irgendwie Tradition.“
Bei der Kujau-Geschichte zogen wir den Kludi dann gerne mal auf. Von wegen er wäre der deutsche Pseudo-Forrest-Gump. Da war er dann normalerweise bei Bier Nummer acht und Scherzen gegenüber sehr offen.
„Hast bestimmt auch die Tagebücher geschrieben“, haben wir oft gesagt und der Kludi hat dann gegrinst.
„Weißt Du“, sagte dann der Kludi.
„als ich so um die 24 war, ist doch damals der Barschel in der Wanne ertrunken. Oder ersoffen worden. War ja nicht so klar. Aber wir haben hier in Hamburg alle gewusst, was für eine Kanaille der war. Das hat keinen überrascht.
Und als der im Mai den Flugzeugabsturz überlebt hat, ab da hat der seine Zeit eigentlich überzogen gehabt. Wäre er beim Absturz um gewesen, dann hätte keiner schlecht vom ihm gedacht. Aber nein – durchziehen. Ich kenn ja nur einen anderen Typen, der alleine einen Flugzeugabsturz überlebt hat.
Ulli Höness.
Flugzeugabstürze sind wohl was für schlechte Menschen.“
Und dann hat der Kludi den Schnaps Nummer 9 und Bier Nummer zehn hinter sich gebracht und ist schonmal ganz gemütlich nach Hause gegangen.
Was in den 90ern alles passiert ist und warum er aus Hamburg weg ist, das hat er nie erzählt.
War wohl keine schöne Zeit, oder eben nicht interessant.
Wir dachten immer, dass er irgendwann eine richtig lange Geschichte erzählen würde und dann mit Bier Nummer Zwanzig einfach umfiele.
Ist aber nie passiert.
„Weißt Du“, hat der Kludi gesagt.
„Weißt Du, am liebsten wäre es mir wenn ich einfach so ZACK sterben würde. Umfallen und tot.“
„Jaja Kludi“, haben wir dann gerne mal gesagt. „Jaja Kludi“, aber dafür bist Du viel zu gemütlich. <
Und jetzt hat er es geschafft.
Wie wir alle wissen, ist er auf dem Nachhauseweg unglücklich in eine ungesicherte Grube gestürzt. Das mit dem ZACK hat geklappt. Mit Reinfallen, statt umfallen.
Ich glaube er wäre zufrieden.
„Weißt Du“, würde der Kludi sagen.
„Weißt Du, das mit der Grube war so nicht gedacht, ging aber auch schnell und immerhin war es keine Grube im beschissenen Hamburg“.
Und dann würde er noch einen Schnaps und ein Bier trinken.
Und deswegen liebe Trauergemeine, hören wir jetzt im Sinne Kludis auf zu trauern und kümmern uns jetzt um Schnaps und Bier.
Damit wir später mal sagen können: „Weißt Du, damals auf Kludis Beerdigung, das war gut.“