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Jonte

https://de.wikipedia.org/wiki/V.B._6


Diese Geschichte spielt in Norwegen.
Und die Unterhaltungen sind auf Norwegisch.
Aus dramaturgischen Gründen wurden diese ins Deutsche übertragen. Falls dies zu stilistischen Blüten führte, dann ist das keine Absicht.
Außer manchmal.

Lokführer Gunnar zog an der Pfeife.
„Tuuut tuuuuuuut“.
„Werf mehr Kohlen rein Jonte. Mehr Kohlen. Wir müssen gegen Mittag in Dramen sein.
Sonst machen die da wieder so ein Drama.“
Jonte wuchtete mit der Kohleschaufel Kohle in den Ofen.
Er schwitzte.
Er schwitzte so wunderbar in seinem kohleverschmierten Hemd.
Schwitzt so schön vor dem Feuer.
Die Muskeln angespannt, den Blick konzentriert zwischen Kohlehaufen und Ofentür mit der Schaufel hin- und her schwenkend.
Gunnar zog an der Pfeifenschnur.
Versehentlich – weil er so tief in Gedanken war, während er Jonte beim Kohle schippen betrachtete.
Jonte schaute Gunnar irritiert an.

„Ups“, sagte Gunnar.
„Kann ja mal passieren. Mehr Kohlen Jonte. Mehr Kohlen“.

Jonte beim Kohle schippen zusehen war einfach zu scharf.
Da konnte einem ja mal die Pfeife ausrutschen.

Jonte schaufelte und Gunnar schaute.

Mit Blick auf die politische Situation im Sommer 1914 hatte die norwegische Regierung ein unterschwelliges Emanzipationsprogramm gestartet. Da kräftige junge Männer trotz norwegischer Neutralität in der Armee gebraucht wurden, hatte man verschiedene Berufsgruppen untersucht und einige gefunden, in denen Frauen ihren Mann stehen konnten.
Heimlich.
Eine davon waren die Lokführer.
Gunnar hieß eigentlich Gunhilde und war scharf auf Jonte.
Leider konnte man die Frauenarbeit nicht publik machen.
Es wäre niemand mehr mit den Zügen gefahren, von den sonstigen Aufregungen mal ganz abgesehen.
So trugen die Frauen entsprechende Uniformen und Mützen und durften auch kein MakeUp tragen oder zu hübsch sein.

„Aber wenigstens kann ich meinem eigenen kohleschaufelnden Junghengst beim Schwitzen zusehen“, dachte Gunhilde.
„In der Lok gehört er mir. Mir allein.“

Sie zog nochmal an der Pfeifenschnur und als Jonte schaute, grinste sie ihn einfach nur an.

Das sie eine Frau war, war nicht das Einzige, was Jonte nicht wusste. Die Lok war die neue v.b.6 und die hatte eine Besonderheit.
Gunnhilde konnte den Druck im Kessel per Regler so kontrollieren, das Jonte das gar nicht auffiel. Seit Jonte bei ihr schaufelte stand das entsprechende Ventil immer etwa ein Viertel auf.
Und Jonte schaufelte und schwitzte.
Vor allem in der Dämmerung vor dem hellen Feuer im Kessel wurde es Gunhilde immer so romantisch.

Zweimal schon hatte man die Lok technisch überprüft.
Sie verbrauchte einfach zu viel Kohle, war vollkommen aus den Berechnungen, aber es wollte sich kein Fehler finden.

„Männer“, dachte sich Gunhilde.
„Die bekommen das einfach nicht auf den Punkt, das mit dem Nachdenken. Haben alle Fakten, aber kommen nicht auf das richtige Ergebnis.“
Sie zog nochmal die Pfeife und rief „Los Jonte, hau rein, die Zeit wird knapp.
Du machst doch bestimmt noch nicht schlapp, oder.“

„Nachdenken können Sie nicht“, dachte Gunhilde so nach.
„Aber schaufeln, schaufeln, das können sie.“

Die Lok zog, Jonte schwitzte, Gunhilde glotzte.
Und so fuhren sie pfeifend in den Sonnenuntergang.

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